
Die Historische Entwicklung der Pesso-Methode
Diane Boyden Pesso und ihr Mann Al Pesso, die Entwickler der heute im deutschsprachigen Raum zumeist bezeichneten Pesso-Therapie, waren ursprünglich Tänzer*innen und später Trainier*innen für modernes Ballett und Ausdruckstanz. Im Verlauf ihrer Tätigkeit machten sie die Erfahrung, dass es Ihren Schüler*innen immer wieder schwer fiel, ihre Gefühle auf der Bühne auszudrücken. Wer schon einmal im Theater war, der weiß, dass die auf der Bühne gespielten Emotionen – wenn es gut gelingt – einen selbst als Teil des Publikums sehr berühren können, wir sozusagen mitschwingen. Das liegt daran, dass die Schauspieler*innen auf der Bühne tatsächlich vermögen, die gespielten Gefühle nicht nur äußerlich mit Gestik und Mimik darzustellen, sondern sie auch in sich entstehen zu lassen. Und beim Ausdruckstanz verhält es sich ähnlich. In der Lehre machten Boyden und Pesso mehr zufällig die Erfahrung, dass ihren Schüler*innen dann der Gefühlsausdruck besonders gut gelang, wenn am Bühnenrand eine Person stand, denen gegenüber sie ihre Emotionen ausdrücken konnten. Und besonders gut fühlte es sich an, wenn diese Gegenüber adäquat auf den Ausdruck der Tänzer*innen reagierten (auf Freude mit Gegenfreude, auf Ärger mit Betroffenheit, auf Trauer mit Trost usw.). Pesso und seine Frau begannen mit dieser gefühlsmäßigen Passform des Gegenübers auf die von den Tänzer*innen ausgedrückte Form zu experimentieren. Teils wurden die Schüler*innen dabei in tiefe emotionale Prozesse begleitet, emotionale Blockaden lösten sich, der tänzerische Ausdruck verbesserte sich und der Grundstein für Pesso Boyden System Psychomotor wurde gelegt.
Die Idee der Pesso-Methode
In vielen kleinen Schritten entwickelten die beiden ihre Methode immer weiter aus. Der Pesso-Methode liegt ein Menschenbild zugrunde, demnach wir alle ein einzigartiges genetisches Potenzial in uns tragen, welches sich entwickeln und in die Welt hinaus getragen werden möchte. Der Idee nach funktioniert das besonders gut, wenn gewisse Grundbedürfniss (nach Nahrung, Platz, Unterstützung, Schutz und nach guten Grenzen) über verschiedene Entwicklungsabschnitte hinweg altersspezifisch befriedigt werden. So zeigen wir Menschen von Anfang an unsere Bedürfnisse als von außen wahrnehmbare Form (bspw. das Unruhigwerden bis Schreien eines Säuglings, der hunger hat), welche durch eine Passform (bspw. eine stillende Mutter) Erfüllung finden. Alles, was wir erleben, wird gespeichert – auch wenn wir oft nicht den bewussten Zugriff darauf haben. Damit wir unser genetisches Potenzial gut ausentwickeln können und mit ihm unsere Welt beginnen konstruktiv mitzugestalten, ist es wichtig, dass wir in unseren Grundbedürfnissen in den verschiedenen Lebensabschnitten gut genährt wurden. Hat uns in unserer Entwicklung etwas mehr oder weniger gefehlt, suchen wir mehr oder weniger auch noch als Erwachsene nach der Erfüllung dieser Bedürfnisse – und so kann es zu Verwechselungen in der Zeit und zum Verhaften in ungünstigen Verhaltensmustern kommen, was dann unsere Bedürfnisbefriedigung im Hier und Jetzt betrifft. Und das Gute ist: "Es ist nie zu spät, eine glückliche Kindheit gehabt zu haben". Alles, was wir erlebt haben, ist eine Geschichte – warum nicht diese Geschichte umschreiben...! Mit Hilfe der Pesso-Methode kreieren wir im Vertrauen auf die innere Weisheit eines jeden in uns neue symbolische Erfahrungen, die Leerstellen füllen und Blockaden im Hier und jetzt lösen können.


Die Pesso-Methode als Selbsterfahrung
Bezogen auf die Tiefenpsychologie ist Pessos Ansatz der Selbstpsychologie von Heinz Cohut sehr nahe. Letztendlich ist bei diesem Ansatz zentral, dass wir Menschen all unsere Entwicklungsbedürfnisse wahrnehmen, ausdrücken und beantwortet wissen möchten. Uns so können sie dann als bedingunslos angenommener Anteil in unsere Selbst integriert und sodann auch gelebt werden. Pesso-methodische Elemente helfen dabei, das, was sich zeigen will, auf symbolischer Ebene schneller und einfacher spürbar und ausdrückbar zu machen und ein Konzept von der Erfüllung dessen entstehen zu lassen.
Ebenfalls aber kann man die Pesso-Technik als eine sehr systemische Methode betrachten: Wir als Menschen sind ein System (intrapsychisch) als Teil von Systemen (interpsychisch). Wir wissen nicht immer genau, wie diese Systeme zusammenspielen. In einer Pesso-Struktur hören wir in einer spielerischen Art und Weise ihrer Seele zu und erkunden, welche Veränderungen in einem System erwünscht sind, probieren es aus, schreiben eine neue, symbolische Geschichte. Und mit dieser neuen, abgespeicherten Erfahrung kann sich dann die Wahrnehmung des Hier und Jetzt verändern, was sich auch auf mein Verhalten und meiner Reaktion gegenüber anderen auswirken kann.
Auf dieser Ebene ist die Pesso-Methode dann auch ganz nah an der Verhaltenstherapie: Ich lerne mich zu spüren und was ich brauche und wie ich es mir mit der Hilfe von anderen erfüllen kann.
Und vor allen Dingen ist die Pesso-Methode ressourcenorientiert, weil es schlussendlich im Fokus darum geht, in jeder Einheit, eine (neue) gute Erfahrung zu machen und gemeinsam darauf hinzuarbeiten.